Lieber Gemeinderat, wie sieht Böblingen 2030 aus?

„Ja, gute Frage“ werden Sie sagen. Wie groß wird wohl der PKW-Anteil sein? Wie viele Radfahrerinnen und Radfahrer werden unterwegs sein? Werden Bus und Bahn oft genutzt? Ist Böblingen weiterhin so zugeparkt wie heute? Oder doch freie Straßen mit spielenden Kindern? Noch mehr grün als heute? Genug Fahrradständer überall?

Zunächst ein Beispiel: Böblingen ist stolz auf die neue Fußgängerzone in der Bahnhofstraße. Sie hat sich zu einer Hauptachse für Fußgängerinnen und Fußgänger entwickelt, und ist auch ein Aufenthaltsort für Familien mit Kindern geworden, die gerne beim Springbrunnen spielen. Wirklich schön.

Wissen Sie, wie die Straße vor 40 Jahren aussah? Genau so:

Böblinger Bahnhofstraße 1980

Stellen Sie sich vor, sie hätten einem Autofahrer an die Scheibe geklopft und gesagt, die Autos müssten da weg. Alle! Sie hätten nur Gelächter geerntet, und wären als Spinner bezeichnet worden. Niemand hätte sie ernst genommen. Es bedurfte vieler mutiger Gemeinderatsbeschlüsse, um aus dieser Bahnhofstraße schrittweise das Unvorstellbare zu machen – eine Fußgängerzone. Heute sind wir froh drum.

Hätten die Damen und Herren Gemeinderäte von damals keine Vorstellungskraft und Visionen gehabt, sondern stets für ein „Weiter so“ plädiert, sähe die Bahnhofstraße heute genau so aus wie auf dem Bild. Hätten der Gemeinderat stets ein „Das geht doch nicht“ im Hinterkopf gehabt, hätte Böblingen seit dem nichts gewonnen. Waren da nicht auch Mahner und Warner, die die 10.000 Autodurchfahrten pro Tag beschrien haben, und dass sie sich nicht einfach in Luft auflösen würden? Der Verkehr in der Bahnhofstraße hat sich von einem Dauerstau auf Null reduziert, nur durch Gemeinderatsbeschlüsse.

Verstehen Sie was ich meine? Sie, liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, haben es in der Hand, zu bestimmen, wie die Mobilität 2030 aussieht. Ihre Beschlüsse von heute sind wegweisend. Wollen Sie der kommenden Generation eine Blechlawine bescheren, oder wollen Sie ein lebenswertes Böblingen? Ich bin sicher, dass der Gemeinderat damals einiges an Beschimpfungen auszuhalten hatte, um die Fußgängerzone durchzuboxen – ähnlich wie heute bei der Calwer Straße. Aber es hat sich gelohnt. Sie haben es ausgehalten. Wir sind heute dankbar dafür.

Bahnhofstraße heute

Und noch etwas kann man aus dem obigen Beispiel lernen: der Verkehr ist nicht gottgegeben. Es ist nicht so, dass der Verkehr einfach „da“ ist und von alleine immer nur wächst. Nein, man kann ihn durch kluge Beschlüsse und Maßnahmen steuern. Man kann dafür sorgen, dass die Böblinger+innen sich anders fortbewegen. Man muss sie einladen und hofieren, dann geht es auch mit weniger Auto.

Die Vorstellungskraft des damaligen Gemeinderats brauchen wir heute wieder. Durch den Druck zur Klimaneutralität wird sich die Mobilität rasant verändern. 2030 werden höchstwahrscheinlich autonome Kabinen durch die Straßen fahren, z.B. von der S-Bahn-Station Böblingen zum Krankenhaus. Energie und damit Autofahren wird teurer werden. Das Autofahren ist heute gesellschaftlich defizitär. Man fängt allmählich an, die wahren Kosten des Autoverkehrs zu erkennen und umzulegen. Viele Mitarbeiter+innen des Krankenhauses wollen vielleicht gar kein Auto mehr, weil S-Bahn Fahren deutlich billiger sein wird. Man wird sich fragen: „Warum haben die so große Straßen gebaut?“ Schade, um den schönen Platz.

Nehmen wir als Beispiel Böblingen vor 40 Jahren, Böblingen heute und Böblingen in 10 Jahren. Böblingen hat heute schon begonnen, die Verkehrswende einzuleiten. Der Verkehr geht zurück. Er muss weiter zurück gehen, weil man mittlerweile die CO2-Senkung einklagen kann. Heute gab es einen großen Schlag gegen drei große Energiekonzerne: Shell, Chevron und Exxon (siehe ZEIT-Artikel). Alle müssen daran arbeiten, dass die CO2-Emissionen runtergehen – so schnell wie möglich. Böblingen muss es auch tun.

Mit der CO2-Wende wird Deutschland – dazu hat sich Deutschland verpflichtet – bis 2030 40% weniger CO2 im Sektor Verkehr emittieren. Das geht nicht durch noch größere und breitere Straßen, sondern durch genau das Gegenteil. Die Elektromobilität allein wird es nicht richten. Die Infrastruktur muss das liefern. Sie, liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, setzen die Voraussetzungen für 2030 und bestimmen damit die Lebensqualität der Zukunft. Tun Sie alles dafür, dass Deutschland den CO2-Ausstoß wie vereinbart reduziert, wenn möglich, sogar noch mehr.

Seien Sie mutig für eine nachhaltige Zukunft,
liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte!

Jens Sundermann, Radeln in BB

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