Seit 2 Jahren gibt es den neuen Radweg an der Calwer Straße. Er ist in der Tat sehr sichtbar und es war klar, dass sich Autofahrer provoziert fühlen würden, wenn sie im Stau stehen und der Radweg nebenan frei ist. Was vielen aber nicht klar ist, ist die Tatsache, dass eine Ersetzung des Radwegs durch eine zweite Autospur an der Wartezeit im Stau nichts ändert. Einzig der Rückstau in die Herrenberger Straße würde etwas gemildert, denn maßgeblich ist der Durchfluss an der nächsten Engstelle, sprich S-Bahn-Brücke. Hier soll die Radspur zum Glück bestehen bleiben.
Nun ist es soweit. Das Wehklagen der Schreihälse scheint Gehör zu finden und das Thema erscheint wieder in den Zeitungen. Wobei man hier klarstellen muss: es ist nichts entschieden. Die Äußerungen von Herrn Bader spiegeln die aktuellen Überlegungen der Stadt wieder. Zustimmen muss jedoch der Gemeinderat. Hier die Falschmeldungen der SZBZ und der Kreiszeitung.
Diese Diskussion kommt zur Unzeit. Ganz Europa leidet unter Trockenheit und der CO2-Ausstoß muss – verdammt noch mal – runter. Zu dieser Gelegenheit hört man immer das Argument, wer Stau vermeidet, vermindert den CO2- Ausstoß. Nein. Fließt der Verkehr besser, fühlen sich viele ermuntert, die frei gewordenen Ressourcen zu nutzen und fahren um so mehr Auto, bis auch zwei Spuren wieder zu eng sind.
Wir haben gerade 16 CDU regierte Jahre hinter uns. Das Credo der Regierung war, den Bürgerinnen und Bürgern nicht weh zu tun und allgemein dem Mainstream zu folgen – Wohlfühlpolitik. Das böse Erwachen kommt jetzt, da, wo wir merken dass nichts funktioniert, dass keine Reserven da sind, dass wir eine verheerende Abhängigkeit von russischem Gas haben. Hätte die Regierung ein paar wichtige aber weniger populäre Entscheidungen getroffen, zum Beispiel den Ausbau der Windenergie um nur eine zu nennen, dann stünden wir heute um Dimensionen besser da.
Warum erwähne ich das? Nun, man muss den Wählern leider ab und zu mal weh tun, um ein stimmiges und nachhaltiges Gesamtkonzept zu realisieren. Das gilt nicht nur in der Bundespolitik, sondern auch in der Kommunalpolitik. In Böblingen folgt man auch dem Mainstream – Bauen, Radwege beschneiden, Parken billiger machen, Autofahrer nicht in die Parkhäuser zwingen, usw. Diese Rechnung geht nicht auf. Wie soll denn Böblingen lebenswerter werden, wenn doch immer dem Auto den Vorzug gegeben wird. Diese Konzentration auf das Auto ist sehr bequem, dann damit zügelt man die größten Schreihälse. Die ist man damit schon mal los. Langfristig wird man aus Böblingen keine Stadt entwickeln, die den globalen Krisen trotzen kann.
Was macht eine Autostadt wie Böblingen, wenn der Ölpreis weiter stark steigt? Selbst wenn viele Böblinger sich anders fortbewegen wollen, was finden sie vor? Parkplätze. Hast Du schon mal versucht, am Postplatz oder untere Stadtgrabenstraße ein teuers E-Bike anzuketten? Geht nicht – zu wenig Fahrradständer. Das ist weder nachhaltig noch resilient, sondern einfach nur einfältig. Auffällig sind hier auch die Parallelen der kommunalen FDP und der Bundes-FDP. Beide fordern in reaktionärer Art und Weise die Fokussierung auf‘s Auto. Hier die Calwer Straße, in Berlin die Erhöhung der Pendlerpauschale.
Für ein Gesamtkonzept ist die langfristigste gewählte Instanz zuständig. In Baden-Württemberg kann ein Bürgermeister oder Bürgermeisterin 8 lange Jahre für eine Ausrichtung der Stadt sorgen, so auch in Böblingen. Mit den sichtbaren Entwicklungen der Klimakrise gibt es überzeugende Argumente, Böblingen nachhaltig zu entwickeln. Noch vier Jahre weiter so, und die Chance für Böblingen ist vertan.