Bauarbeiten Autobahn
Wie alle Böblinger gerade leidlich erfahren, wird die A81 um eine Spur erweitert. Die nötigen Umbauten haben Auswirkungen auf viele Verkehrsverbindungen im Böblinger und Sindelfinger Bereich. Die kompliziertesten Arbeiten betreffen wohl die Brücken. Sie werden zum Teil komplett, zum Teil stückweise ausgetauscht. Aktuell sind die Brücke nach Dagersheim und die Brücke Sindelfinger Straße Richtung Hornbach/Sindelfingen Gegenstand von Bauarbeiten.
Der Autoverkehr ist zwar betroffen von den Baumaßnahmen, aber die wesentlichen Routen bleiben erhalten. So werden zum Beispiel vier Autospuren von und nach Dagersheim verengt auf zwei gegenläufige Spuren, sodass eine Hälfte der Brücke ausgetauscht werden kann. Die andere Autobahnbrücke Böblingen Richtung Hornbach/Sindelfingen wird komplett abgerissen und daneben neu gebaut (Google Maps). Während dieser Umbauten bleiben die Einschränkungen für den Autoverkehr überschaubar.
Radverkehr, ja aber
Nun widmen wir uns mal dem Radverkehr:
Richtung Dagersheim: Radweg fällt ersatzlos weg. Es gibt einen ca. 800m langen Umweg durch die Hulb mit vielen Ampeln und Wechseln der Straßenseiten. Angeblich war eine Radbrücke geplant. Dazu später mehr.
Richtung Sindelfingen/Hornbach: Radfahrer nach Sindelfingen können die Seite wechseln, um die Hornbach-Einfahrt gegen die Fahrtrichtung zu passieren. Erfahrene Radlerinnen und Radler wissen wie gefährlich das ist. Danach soll die Seite wieder zurück gewechselt werden. Alternativ darf auf der Straße gefahren werden, was noch entsprechend beschildert werden soll.
Diese beiden Umstände haben den Radler Günter P. ziemlich erbost. Wieder einmal schaue der Radverkehr in die Röhre. Er hat darauf Kontakt mit der Presse und der Autobahngesellschaft DEGES aufgenommen. Nach einigen Verhandlungen kam es am 22.2.23 zu einem Ortstermin an der Brücke Sindelfinger Straße. Ein Vertreter der DEGES, Kreiszeitung, SZBZ, Vertreter vom Ordnungsamt und Stadtverwaltung sowie 4 Böblinger Radler trafen aufeinander. Man muss die kurzfristige Gesprächsbereitschaft der DEGES sowie der Stadtverwaltung anerkennen.
Hier die entsprechenden Zeitungsberichte der SZBZ und der Kreiszeitung, die gleich am nächsten Tag erschienen
Die anfangs hitzige Diskussion wurde zunehmend sachlicher. Der erste Streitpunkt war die verbesserungswürdige Beschilderung zum Seitenwechsel sowie die Kreuzung Leibnizstraße/Sindelfinger Straße.
Wie wir vor Ort beobachten konnten, wird des erste Schild zum Seitenwechsel leicht übersehen. Außerdem wird nicht klar, dass die Weiterfahrt auf der Straße erlaubt ist. Das Ordnungsamt hat eine Verbesserung der Beschilderung versprochen.
Doch der eigentliche Casus Knacksus ist die Kreuzung. Hier sind Fußgänger und Radfahrer komplett ausgesperrt. Das ist ziemlich ärgerlich. Es gebe wohl keine StVO-konforme Möglichkeit, Rad- und Fußverkehr hier weiterhin queren zu lassen. DEGES und Ordnungsamt vermittelten glaubhaft, dass sie sich zumindest Mühe gegeben haben, eine Lösung zu finden. Der Seitenwechsel sei und bleibe der einzige Ausweg – abgesehen vom Fahren auf der Straße, was aber für Kinder und unsichere Radfahrer nicht in Frage kommt.
Geht es wirklich nicht anders?
Die Situation an der Kreuzung ist aktuell so:
Durch die rechtsseitige Verengung der Leibnizstraße müssen vor allem LKWs einen großen Bogen fahren, um rechts nach Sindelfingen abzubiegen. Das sei auch der Grund, warum für den Geh- und Radverkehr sei zu wenig übrig bleibe.
Moment: Fußgänger/Radler und Autos/LKWs benutzen die Straße nicht gleichzeitig. Und LKWs benötigen den Platz eher nach vorne, um einen großen Bogen zu fahren. Kann man nicht die Haltelinie für Fußgänger nicht einfach hinten, also Richtung Sindelfingen versetzen und den Geh/Radweg auf Kosten der Fahrbahn etwas verbreitern? Der Fuß/Radverkehr würde weiterhin durch die Ampel geregelt? Ich würde die Szenerie mit der Kellerkreuzung vergleichen (gelber Pfeil):
Also ich bin mir nicht sicher, ob wirklich alle Mittel ausgeschöpft wurden. Es bleibt das Ergebnis: Der Radverkehr muss mehr leiden. Schlecht.
Die Umleitung
Hier eine Untersuchung der Umleitung an der Sindelfinger Straße von Steffen:
Überleitung an dem Übergang bei Smart-Einfahrt auf andere Starßenseite/Radweg ich halte dies mit auf die andere Seite für mega-gefährlich!! Schon an der Ampel hier bei Brücke wird es eng. Hier sollen (auch bei Nacht) bei Gegenverkehr 2 Räder aneinander vorbeikommen…?
An der Bushaltestelle neben Hornbach ist dann endgültig Schluß (erst danach soll man ja mit Ampel wieder auf die richtige Seite zurückwechseln). Ich habe nachgemessen: 110 bis 113 cm ist die Radwegbreite an Bushaltestelle dazu kommen Schilder, Bäume, Verteilerkästen, die im Weg sind:
Und natürlich zu gewissen Zeiten (Schule) steht immer alles voll mit Leuten, die auf den Bus warten – selbst wenn ich auf Hinweg nach Sindelfingen kurz auf der Straße fahre – auf dem Rückweg kommen mir hier dann viele Radler entgegen.
Laut ERA 2010 ist Regelbreite für Radweg (eine Richtung) 1,85 m für Zweirichtungsradweg Regelbreite 3 m, bei geringerem Radverkehr 2,50 m. Die Breite hier ca. 1,13 m – ein normaler Lenker hat ca. 70 cm Breite, Mountainbike auch 79 cm!! bei Gegenverkehr x 2 zu rechnen – reicht nicht mal theoretisch! UNFALLGEFAHR!!!
(Danke Steffen für die Darstellung)
Nach Dagersheim: Brücke oder keine Brücke – das ist hier die Frage
Eine weitere Klarstellung gab es bei der Brücke nach Dagersheim und der angeblichen Zusatzbrücke für Radler. Laut Tiefbauamt war diese vorübergehende Brücke zu teuer, Kosten ca. 0,6 Mio €. Von der DEGES erfuhren wir, dass nur eine Fußgängerbrücke in Frage gekommen wäre, die mit einer Treppe und mittiger Schiene für E-Bikes ausgestattet worden wäre. D.h. eine sinnvolle Lösung für Radler war nie im Gespräch. Da es nur ein sehr geringen Fußverkehr nach und von Dagersheim gebe, lohne sich hier eine Brücke für den Preis nicht. Dem kann man zustimmen. Die Erläuterung vom Tiefbauamt beinhalten aber nur die Kostenfrage an. Ich tendiere dazu, der DEGES-Version zu glauben. Die Ausführungen vom Tiefbauamt hätten hier genauer sein sollen.
Eine andere Lösungsmöglichkeit wurde wohl nicht in Betracht gezogen: eine Spur der Brücke bleibt für den Fuß- und Radverkehr reserviert, und der Autoverkehr nach Dagersheim nimmt den Umweg, den jetzt die Radler nehmen sollen. Warum nicht?
Die Umleitung nach Dagersheim
Ja, und dann ist da noch die Umleitung. Radlerinnen und Radler, die von bzw. nach Dagersheim fahren wollen, müssen nun einen Umweg von 0,8km in Kauf nehmen, der durch Ampeln und sonstige Unwägbarkeiten mühsam und zeitaufwändig ist. Die Beschilderung hierfür war ebenfalls verbesserungswürdig. Das Ordnungsamt kündigte eine Besserung an. Aber gleich zu Anfang der Umleitung nach Dagersheim, die erste böse Überraschung:
Gleich nach der Linkskurve bietet sich – vor allem im Dunkeln – eine hervorragende Gelegenheit zu einer Kollision mit einem Pfosten. Ein Unfall ist fast schon vorprogrammiert. Das Ordnungsamt versprach, diesen Pfosten schnellstens zu entfernen, was sogar noch am selben Tag geschehen ist.
Fazit
Zwei Umleitungen – beide Male hat der Radverkehr das Nachsehen. Auch wenn die Beteuerungen der Planer auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheinen, werden Radfahrer fast immer benachteiligt. Der Autoverkehr hat Vorrang. Immer und überall. Wie soll der umweltfreundliche und volkswirtschaftlich positive Radverkehr denn zunehmen, wenn es immer und immer wieder Nackenschläge gibt? Stellen Sie sich eine solche Lösung in Holland vor. Sie würden gelyncht! Wir brauchen mehr Phantasie und auch mal eine Auslegung der StVO, die pro-Rad ausfällt. Das Zurückziehen auf Vorschriften ist mir zu einfach.
Aber nicht nur, dass der Radverkehr immer umgeleitet wird, nein, auch die Umleitung an der Sindelfinger Straße ist – wie oben gesehen – mehr als schändlich. So etwas darf man eigentlich niemandem zumuten.
Noch ein paar Worte zum Ordnungsamt und Tiefbauamt. Es ist mehr als nachvollziehbar, dass die zusätzliche Belastung der Autobahnbaustelle sehr groß ist. Außerdem hört man (Achtung Flurfunk), dass die DEGES-Leute sehr ausgebufft seien und viel Erfahrung mit dem Umgang mit örtlichen Ämtern hätten – positiv ausgedrückt. D.h. dass die Ämter hie und da ausgetrickst bzw. übertölpelt werden. Zusätzlich müssen die Böblinger Stadtplaner und -planerinnen den normalen Böblinger Verkehr und die vielen Baustellen regeln. Man kann sich vorstellen, dass nicht alles zum Besten laufen kann.
Ich kenne die Vereinbarungen der DEGES mit Böblingen nicht, aber es wäre fair, wenn die DEGES für einen begrenzten Zeitraum Geld oder Verkehrsplaner zur Verfügung stellen würde, um die Mehrbelastung abzufedern. Es kann nicht sein, dass Ämter derart überlastet sind. Es bleibt – offensichtlich – keine Zeit, um z.B. die Umleitungen für den Geh/Radverkehr mal abzugehen bzw. abzufahren. Nur so kann man sich die Verkehrsbeschilderung erklären.
Einen positiven Aspekt hatte das Treffen dennoch. Die Radfahrer und Vertreter der Stadt konnten sich persönlich kennen lernen. Das führte zu mehr gegenseitigem Verständnis. Wenn möglich, ist Dialog immer besser als Kontroverse.
Mir ist ja nicht ganz klar warum an der Sindelfinger Straße der Autoverkehr in jede Fahrtrichtung Sindelfingen zweispurig gefahren werden muss. Ist es nicht möglich die Spuren vor der Krezung zu Leibnitzsstraße in einen reinen Rechtsabbieger und eine Geradeausspur aufzuteilen, so dass man die entfallene Spur auf der Brücke dem Rad- und Fußgängerverkehr zukommen lassen kann. Auf Sindelfinger Seite ist das zweispurige Vergnügen mit der Linksabbiegerspur sowieso vorbei und genau in diesem Bereich kann man ja auch wieder auf die reguläre Verkehrsführung zurück schwenken. Ich kann mir nicht vorstellen dass die Leistungsfähigkeit der Kreuzung den anfallenden Verkehr auch so verpackt + die Abstzursicherung in Höhe von 1,30 muss ja sowieso gegeben sein (wenn man als Fahrradfahrer sowieso die Straße nutzen kann/soll).