Der Schlossbergring soll umgestaltet werden. Schön. Ich denke da zuerst an mehr Aufenthaltsqualität, mal durchatmen können, sein eigenes Wort verstehen und bequem bummeln. Einkaufen wird wieder Spaß machen, ein Erlebnis sozusagen. Doch eine Vereinigung hat etwas dagegen: Die Einzelhändler.
Bitte was? Es stört den Einzelhandel, wenn wir bequem und in Ruhe bummeln können? Jawohl, denn genau diese Gruppe klebt am Auto und kann sich nicht vorstellen, dass der Schlossbergring ohne Autos funktionieren soll. Bummeln ade.
Selbst der Versuch, einen verkaufsoffenen Sonntag einmal autofrei zu testen, ist gescheitert, wie Dr. Stefan Belz im Amtsblatt vom 8.4.2016 auf Seite 4 schildert.
Dabei gibt es ein Böblinger Verkehrskonzept von 2009 (Anhang C – Radverkehr, Kapitel 4.1 – Städtebauliche und gesamtstädtische Ziele), das viele Erfahrungen aus zahlreichen Untersuchungen zusammenfasst:
[…] Diese Ziele werden insbesondere auf lokaler Ebene erreicht, da nach übereinstimmender Auffassung der Fachwelt die möglichen Potenziale des Radverkehrs bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Gerade in den Ballungsräumen, wo die Hälfte aller Pkw-Fahrten kürzer als 5 km ist, bestehen aus Sicht der Berichterstatter gute Chancen zu einer Verlagerung von Pkw-Fahrten auf den Radverkehr.
Diese Charakteristik der Ausgangsbedingungen trifft auch auf Böblingen zu, so dass ein ausgewogeneres Anteilsverhältnis der verschiedenen Verkehrsmittel mit weiteren Anstrengungen erreichbar erscheint.
Eine Stärkung des Radverkehrsaufkommens führt zu nachfolgend dargestellten positiven Auswirkungen auf die Gesamtstadt:
- Radverkehr stärkt urbane Stadtstrukturen im Sinne des Leitbilds „Stadt der kurzen Wege“ unter Begrenzung der Flächeninanspruchnahme für Verkehrsanlagen.
- Radverkehr leistet einen Beitrag zur Aufwertung stadtnaher Wohnquartiere für ‚neue’ und wieder verstärkt ‚zurückkehrende’ Nachfragegruppen, insbesondere auch Haushalte mit Kindern.
- Radverkehr ist eine stadt- und umweltgerechte Gestaltungsform der Mobilität, die aufgrund ihrer geringen Lärm- und Luftschad- stoffemissionen sehr stadtverträglich ist.
- Radverkehr entfaltet seine Stärken insbesondere in der verkehrsmittel-übergreifenden (so genannt intermodalen) Verknüpfung mit anderen Verkehrsangeboten, insbesondere mit dem ÖPNV (Stichwort „Bike & Ride“).
- Radverkehr stärkt zentrale Versorgungsbereiche und die unter Druck geratene Vielfalt des Einzelhandels, da – wie empirische Untersuchungen belegen – Radfahrer verstärkt Handelsangebote in innerstädtisch, integrierten Lagen aufsuchen und dabei vergleichsweise hohe Umsätze tätigen.
- Radverkehr ist eine lokal erreichbare Möglichkeit zur gezielten Förderung der gesundheitlichen Prävention, die einen Beitrag dazu leisten kann, dem Gesundheitssystem Kosten für die Behandlung von Erkrankungen zu ersparen, die auch auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind und durch eine Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität vermieden werden könnten.
- Radverkehr erzeugt in Gestalt des Fahrradtourismus – als Tagesausflug oder Reise – erhebliche örtlich wirksame wirtschaftliche Impulse.
- Die Förderung des Radverkehrs lässt nach übereinstimmender Auffassung der Fachliteratur eine hohe volkswirtschaftliche Effizienz des örtlichen Einsatzes öffentlicher Mittel erwarten
Durch gezielte Förderung des Radverkehrs und eine Stärkung des Stellenwertes in der lokalen Verkehrsentwicklung lassen sich somit gesamtstädtisch bedeutsame Ziele vergleichsweise effizient erreichen.[…]
Kurz gesagt: Gerade der Nicht-Auto-Verkehr stärkt die innerstädtischen Strukturen, denn nur das Auto lädt dazu ein, weiter entfernte Ziele wie das Breuniger Land anzusteuern. Einmal im Auto, ist der übermächtige Mercaden-Konkurrent nicht mehr weit. Ist man jedoch zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, werden alle Einkäufe im nahen Umkreis erledigt. Eine bunte Einzelhandelsmischung wird sich automatisch einstellen. Die Zeit im Stau wird ersetzt durch ein Schwätzchen mit dem Metzger, Bäcker oder zufällig getroffenem Nachbarn. Klingt das nicht gut?
Liebe Einzelhändler in der Innenstadt: Eure Liebe zum Auto ist glatter Selbstmord. Lasst es doch einmal auf eine Versuch ankommen. Probiert einen autofreien Sonntag, oder auch mal Samstag aus. Belohnt alle Fußgänger- und Radfahrerkunden mit einer extra Wurst. Ich verspreche es, sie werden wieder kommen.